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KatFreSch
02/2011
Seite 28
Schöner Studieren mit Stipendium
Wie ich an ein Stipendium kam, ohne den NC für Juristen zu erfüllen und warum es mir inzwischen viel mehr bedeutet als nur einen warmen Geldregen.
Schön ist es hier. Ich sitze in einem
weiten Innenhof, auf einem gemüt-
lichen Gartenstuhl unter einer großen
Linde, habe gut gegessen und genieße
die Ruhe. Es ist schwer, sich nicht
zu entspannen in diesem Hof, seine
Gedanken nicht wandern zu lassen,
ich würde gerne länger bleiben – doch
genau da liegt das Problem: Dazu darf
ich mich nicht entspannen, denn gleich
ist das nächste wichtige Gespräch. Es
ist Hauptauswahl in der sommerlichen
Villigster Idylle und ich bin mitten drin.
Aber der Reihe nach: Angefangen hat
alles schon über ein halbes Jahr vor-
her. Meine Tante hatte mich darauf
angesprochen, dass ich mich doch mal
um ein Stipendium bemühen könnte.
Ich und Stipendium? Ich war skep-
tisch. Dazu musste man doch irgend-
wie Überflieger sein, im Abi minde-
stens eine eins vor dem Komma haben
und am besten 14 Sprachen fließend
beherrschen? Ich war zwar nie schlecht
gewesen in der Schule und mit meinem
Zweier-Abi ganz zufrieden, aber Sti-
pendium – das klang mir irgendwie zu
elitär. Doch sie hatte es geschafft, mich
neugierig zu machen, und so hörte ich
mich um.
Ich fand heraus, dass die Stipendien-
Landschaft in Deutschland recht ein-
heitlich ist. Es gibt insgesamt zwölf
größere Begabtenförderungswerke in
Deutschland neben dem Deutschland-
stipendium, die ihre Stipendien aus
Mitteln des Bundesministeriums für
Bildung und Forschung bezahlen. Die
Werke sind getragen von Institutionen
der Gesellschaft wie Parteien (z.B. Kon-
rad-Adenauer-Stiftung der CDU; Fried-
rich-Ebert-Stiftung der SPD), Kirchen
(Evangelisches Studienwerk Villigst,
katholisches Cusanus-Werk), Gewerk-
schaften (Hans-Böckler-Stiftung) u.a.
Ihre Stipendien orientieren sich ein-
heitlich an den Kriterien für die BaFöG-
Sätze (plus ein monatliches Büchergeld,
das für alle StipendiatInnen gleich ist),
nur dass man sie nicht zurückzahlen
muss. Darüberhinaus setzt jedes Werk
eigene Schwerpunkte in der inhalt-
lichen Arbeit mit ihren StipendiatInnen
in Form von Sommerunis, Tagungen,
Fortbildungen etc., je nach dem eigenen
Profil.
Es gibt also auch ein evangelisches Stu-
dienwerk? Ich wurde hellhörig, war ich
doch seit meiner eigenen Konfirmation
aktivst in der evangelischen Jugendar-
beit in meinem Heimatdekanat Augs-
burg, glaubenstechnisch einigermaßen
begeistert und nach all den Jahren auch
recht erfahren. Vielleicht war das ja was
wert. Politisch mache ich mir auch gern
Gedanken, hatte aber nie Lust, mir ein
Parteibuch zuzulegen. Ich beschließe,
mein Glück zu versuchen, treibe sta-
pelweise Papierkram auf und zerbre-
che mir den Kopf über ein originelles
Bewerbungsschreiben.
Ein Vorauswahlgespräch und zwei
bange Wochen des Wartens später
bekam ich tatsächlich die ersehnte Post
von Villigst mit der Einladung zur zwei-
tägigen Hauptauswahl in Villigst im
Ruhrgebiet.
Zwischenzeitlich hatte ich mir ein
Bild vom Evangelischen Studienwerk
gemacht. Es wurde aufgrund des Ver-
sagens von evangelischen Intellektu-
ellen im zweiten Weltkrieg und dem
Nationalsozialismus gegründet. Man
machte sich also nach dem Krieg auf
die Suche nach christlichen jungen Aka-
demikern, die kritisch denken und sich
gesellschaftlich und politisch engagie-
ren wollten. Demokratie wurde von
Anfang an groß geschrieben im Werk,
die StipendiatInnen haben bis heute
weitgehende Mitspracherechte, was die
Werkspolitik und die inhaltliche Arbeit
angeht. Im Laufe der Zeit waren darun-
ter auch bekannte Menschen wie Kurt
Biedenkopf, Margot Käsmann oder
Eddy von den Wise Guys.
Wieder zurück unter dem Baum im
Hof von Villigst also, diesem Ort, den
man sich in seiner beschaulichen (und
bei der Anreise mit öffentlichen Ver-
kehrsmitteln manchmal ärgerlichen)
Abgelegenheit mitten im dichtestbesie-
delten Gebiet Deutschlands gar nicht
hätte träumen lassen. Es geht wei-
ter mit dem Auswahlprogramm, mal
in Gruppenarbeiten, mal im Einzel-
gespräch, ich erarbeite einen Plan zur
Rettung der Walbestände, gebe meine
besten Interpretationskünste in einem
spontanen Referat über einen Kurzfilm
zum Besten, versuche zu begründen,
warum ich finde, dass das elektrische
Licht eine noch tollere Erfindung ist als
Telefon und Dampfmaschine und habe
am Abend Zeit, mich mit den anderen
BewerberInnen zu unterhalten. Zwi-
schen den einzelnen Programmpunk-
ten, bei denen ich unter scharfer Beo-
bachtung stehe, kümmern sich einige
Villigster rührend um mich und die
anderen KandidatInnen mit Keksen,
Saft und aufmunternden Worten.
Am nächsten Tag verlasse ich das Haus
mit großem Bedauern, denn ich habe
sehr viele beeindruckende Menschen
kennengelernt, mit denen ich gern mehr
Zeit verbringen würde. Aber gegen sol-
che Konkurrenz konnte ich eigentlich
keine Chance haben.
Umso größer meine Überraschung, als
einige Wochen später tatsächlich eine
Zusage kommt. Ich gehöre jetzt also
offiziell zur Elite in Deutschland, zu
den angeblich besten 1% der Studie-
renden, die als besonders begabt geför-
dert werden. Kann es immer noch nicht
glauben. Später werde ich feststellen,
dass es allen anderen genauso geht –
keiner hier fühlt sich wie Elite, niemand
ist abgehoben. Es geht im Werk die
Legende vom CIA – Club der irrtüm-
lich Aufgenommenen, dem sich irgend-
wie alle zugehörig fühlen. Einmal drin
im Studienwerk, ist die Atmosphäre
unglaublich familiär. Man steht nicht
unter Leistungsdruck, wird unabhän-
gig von den Noten gefördert, die man
im Studium bekommt – für die ganze
Dauer. Alle duzen sich, meine Studi-
enleiterin ist ehrlich interessiert an mir
und meinem Werdegang, hilft mir bei
Fragen und Problemen. Ich komme gern
nach Villigst, treffe dort interessante
Leute, lerne immer was dazu und bin
dankbar, dass sich mein eigener Hori-
zont an diesen Begegnungen weitet.
Bald fliege ich in die USA, werde dort
die nächsten beiden Semester studie-
ren, das war schon lang mein Traum.
Den Studienplatz habe ich mir selber
gesucht, aber ohne Villigster Förderung
wäre er ein Traum geblieben. Neugie-
rig geworden? Dann bewerbt euch am
besten selbst!
Johannes Amberg studiert evangelische
Theologie in Tübingen. Momentan macht
er ein Auslandsjahr an der Duke University
in North Carolina. Danach besteht er sein
Examen, um Pfarrer in der Bayerischen
Landeskirche zu werden. Er ist seit 2007
ein Stipendiat des Evangelischen Studi-
enwerks.
Weitere Informationen zur Bewerbung
und Förderung unter
Mehr zu Villigst findet ihr unter
.
• Eine Vorstellung aller Begabten-
förderungswerke gibt es auf
• Villigst nimmt vor allem evangelische
Menschen aller Fachrichtungen auf.
Es gibt aber auch Förderwerke für
katholische (Cusanuswerk) und
jüdische (Ernst Ludwig Ehrlich-Werk).
„Grenz-Gänge“ - Ulrich
Steenberg stellt ersten
Lyrik-Band vor
Anfang Juli hat Ulrich Steenberg, bis Ende
des letzten Schuljahrs Direktor der Katho-
lischen Fachschule für Sozialpädagogik
Ulm, seinen ersten Band mit Gedichten im
Café im Kornhauskeller in Ulm der Öffent-
lichkeit vorgestellt.
Ulrich Steenberg ist seit über 20 Jahren
als international bekannter Montessori-
Pädagoge ein erfolgreicher Sachbuchau-
tor. Und jetzt ein Band mit Lyrik? Dazu der
Pädagoge: „Es ist meine Art, den Alltag zu
bewältigen. Ich mache das seit vielen Jah-
ren. Nun ist es an der Zeit diese Gedichte
mit anderen zu teilen.“
Bittere, zarte, zartbittere Texte, in denen
es um Tod und Liebe, den Verlust der Kind-
heit und die Lust an der Natur geht, böse
Abzählreime und Kirchenszenen: Steen-
berg wagt, anzuecken, Grenzen aufzuspü-
ren, Grenz-Gänger zu sein.
Der Reinerlös aus dem Verkauf des Buches
(10 EUR) geht an das Behandlungszen-
trum für Folteropfer Ulm und soll helfen,
missbrauchten und misshandelten Kin-
dern eine Maltherapie zu finanzieren.
Bestellen kann man „Grenz-Gänge“ direkt
beim Autor:
Sonstiges
Evangelisches Studienwerk
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