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Obermarchtal | Er gebe seinen Nachfol-
gern ein Beispiel für ein außerordent-
liches Maß an Flexibilität, Kreativi-
tät und innovativem Geist mit auf den
Weg: Dies hat Bischof Gebhard Fürst
dem scheidenden Stiftungsdirektor
der Stiftung Katholische Freie Schule
Dr. Berthold Saup (64) bescheinigt.
Saup wurde am Donnerstag, 28. Juli,
in der Kirchlichen Akademie der Lehr-
erfortbildung im Kloster Obermarchtal
nach 35jähriger Tätigkeit als Pädagoge
in den Ruhestand verabschiedet. Zu
den zahlreichen Gästen gehörten auch
die Vorsitzende des Stiftungsrats, die
Europa-Abgeordnete Elisabeth Jeggle,
und Silvia Carreras, die Vorsitzende
der Bischöflichen Schulverwaltung
der argentinischen Diözese Santiago
del Estero, mit der die katholischen
Schulen der schwäbischen Diözese
eine Jahrzehnte lange Partnerschaft
verbindet.
Die Kombination von Pädagogik,
Lehrerfahrung und Theologie, die Saup
in seiner Person vereinige, sei ihm in sei-
ner reichhaltigen beruflichen Laufbahn
zum Segen geworden, sagte Bischof
Fürst. Als Stationen von Saups Lauf-
bahn nannte er die Lehrtätigkeit an der
damals im Aufbau befindlichen Boden-
see-Schule St. Martin in Friedrichshafen
und dann an der St.-Wolfgang-Schule
in Reutlingen, die Rektorenstelle an
der Rupert-Mayer-Schule in Spaichin-
gen, im Jahr 1990 dann die Berufung
als Schulrat in Rottenburg, die Verant-
wortung als Schulamtsdirektor und in
Personalunion seit 2001 als Stiftungs-
direktor. 1996 war ihm zusätzlich die
Leitung der Kirchlichen Akademie der
Lehrerbildung in Obermarchtal über-
tragen worden, der er zu einem aner-
kannten Profil verholfen habe. In den
Anfangsjahren seiner Lehrertätigkeit
habe Saup berufsbegleitend katholische
Theologie studiert, berichtete Bischof
Fürst. „Still und heimlich“ habe er spä-
ter an einer religionspädagogischen
Dissertation mit dem Titel „Der Ruf der
Freiheit“ gearbeitet, mit der er 1994 in
Tübingen zum Doktor der Theologie
promoviert wurde. Der Untertitel „Zur
Dimension des Ethischen imMarchtaler
Plan“ weise darauf hin, dass Saup Mit-
autor dieses konzeptionellen Grundla-
genwerks der katholischen Schulen in
der Diözese Rottenburg-Stuttgart sei.
Der „Marchtaler Plan“ ist inzwischen
weit über den kirchlichen Schulbereich
hinaus zu einer Institution geworden.
Als Nachfolger Bertold Saups im Vor-
stand der Stiftung Katholische Freie
Schule wurden am 28. Juli Harald Häu-
pler (53), bislang Direktor des Albertus-
Magnus-Gymnasiums in Stuttgart, und
Joachim Schmidt (49), derzeit Stellver-
tretender Leiter des Katholischen Insti-
tuts für berufsorientierte Religionspä-
dagogik an der Universität Tübingen,
eingeführt. Sie sind gleichberechtigte
Vorstände (Stiftungsdirektoren) der
Dachstiftung der rund 90 katholischen
Schulen in der Diözese. Als stellvertre-
tender Stiftungsdirektor wurde Walter
Swacek in seinem Amt bestätigt.
Als hoch angesehenen Schulleiter und
Pädagogen mit reflektierter Erfahrung,
analytischer Kraft und wachem schul-
politischem Gespür stellte Bischof Geb-
hard Fürst Harald Häupler vor.
Ihm komme in dem neuen Vorstands-
tandem die Aufgabe des „Schulfach-
manns“ zu. Als promovierter Religions-
pädagoge bringe Joachim Schmidt die
theologische Kompetenz in die Leitung
der Stiftung ein. Diese sei für die inhalt-
liche Weiterentwicklung des katho-
lischen Schulwesens von essentieller
Bedeutung. In der Frage einer Bildung
und Erziehung aus christlich-katho-
lischer Sicht eigne ihm hohes Problem-
bewusstsein und ein politisch waches
Bewusstsein. Zudem bringe er unter-
nehmerische Erfahrung und Leitungs-
kompetenz sowie den Blick auf berufs-
bezogene Aspekte schulischen Lernens
in den neuen Aufgabenbereich ein.
Er freue sich erwartungsvoll darauf,
sagte Bischof Fürst, dass die beiden
neu berufenen Vorstände es schaffen
würden, das professionelle Profil des
katholischen Schulwesens zu stärken
und dabei nah bei den Menschen von
heute zu bleiben. Es komme darauf an,
die Ganztagspädagogik glaubwürdig
und lebensnah weiter zu entwickeln
und die Schule als Lebensraum erfahr-
bar werden zu lassen. Eine Neudefini-
tion des Leistungsgedankens sei ebenso
notwendig wie eine Bestimmung des-
sen, was eine Lehrkraft heute bedeuten
müsse.
Als zentrale Aufgabe für die Verwirkli-
chung des christlichen Menschenbilds
in der Pädagogik bezeichnete Bischof
Fürst es, die Verschiedenheit von Kin-
dern und Jugendlichen praktisch zu
akzeptieren und Integration und Inklu-
sion voran zu bringen. Das gelte für
Kinder mit Behinderungen, aber auch
für junge Menschen aus Migranten-
familien. Es sei eine Aufgabe kirch-
licher Schulen, an einem Umdenken in
der Gesellschaft mitzuwirken und Rah-
menbedingungen zu schaffen, damit
Verschiedenheit als Chance begriffen
werde und Ängste und Vorurteile abge-
baut würden, so Bischof Fürst.
Dr. Thomas Broch, Bischöflicher Pressesprecher
KatFreSch
02/2011
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liche sich ihren Bedürfnissen und Wün-
schen entsprechend weiter entwickeln
können. Doch besteht auch die Gefahr,
dass sie sich in Orientierungs- und Pers-
pektivlosigkeit verlieren.
Was setzt der neue Marchtaler Plan
positiv dagegen?
Antwort:
Ein wichtiger Ausgangspunkt
ist, dass es für uns nicht ,das Kind‘,
,den Jugendlichen‘ gibt. Wir sehen in
der Unterschiedlichkeit einen Schatz
für die Gemeinschaft, dem Rechnung
getragen werden muss und der zugleich
die Gemeinschaft bereichert. Darüber
hinaus gibt es existenzielle Bedürfnisse,
die alle teilen. Wie Nahrung, Bewegung
und Ruhe. Dem geben wir Raum.
Darüber hinaus verbinden Kinder
Schule mit der Erwartung und dem
Wunsch nach Freundschaft, nach
Erfolgserlebnissen. Das geschieht in
der Schule, in der Betreuung im Klas-
senverband und in Kleingruppen. Lang-
fristig anhaltende Erfolgserlebnisse stel-
len sich aber oft erst dann ein, wenn
es Hilfestellung bei den Schulaufga-
ben gibt, wenn Probleme gemeinsam
besprochen werden können. Hier wol-
len wir als Schule und Betreuer den
Grundstein für ein erfolgreiches Berufs-
leben legen.
Wie sieht das in der Praxis aus?
Antwort:
Bildung schließt die Fähigkeit
des Menschen ein, vernetzt zu den-
ken und die Komplexität der Welt zu
begreifen. Er lernt Verbindungen her-
zustellen, Gesetzmäßigkeiten, Struk-
turen und Zusammenhänge zu erken-
nen. Ein lebenslanger Prozess. Der
Schüler eignet sich in Unterricht und
außerunterrichtlichen Angeboten Wis-
sen über die Welt an und verbin-
det es mit eigenen Erfahrungen. Der
Marchtaler Plan unterstützt das durch
den „Vernetzten Unterricht“.
Das kognitive Lernen wird in der Ganz-
tagsschule durch informelle Lern- und
Erfahrungsbereiche ergänzt. Bildungs-
ziele können frei von staatlich vorgege-
benen Bildungsplänen angestrebt wer-
den. Eigeninitiative des Einzelnen ist
gefragt. Wenn Lernende erfahren, dass
ihr Engagement Wirkung zeigt, wenn
sie sich an der Gestaltung der Ganz-
tagsbildung beteiligen, steigt das Inte-
resse, selbst aktiv zu werden.
Wie lehrt man Freiheit und Verant-
wortung?
Antwort:
Kinder und Jugendliche erle-
ben Freiheit und Verantwortung als
Ambivalenz. Sie brauchen Kenntnisse
und Fähigkeiten, um das auch leben
zu können. Dazu muss ihre Bereit-
schaft, sich selbst, ihre Verhaltenswei-
sen und Prozesse, in die sie involviert
sind, kritisch zu betrachten und zu prü-
fen, entwickelt werden. Eine wichtige
Rolle spielen Empathie, die Fähigkeit
zum Perspektivwechsel und Offenheit
gegenüber Neuem. Reflexion erweitert
das Repertoire an Verhalten und Ein-
stellungen. Auf diesem Weg lernen Kin-
der und Jugendliche, Lebenssituationen
erfolgreich zu meistern, und durch
soziale Bildung und Erziehung einen
einfühlsamen, fairen und konstruktiven
Umgang miteinander.
Was gehört noch dazu?
Antwort:
Handwerklich-technische
Bildung und Erziehung, in der die Schü-
ler den verantwortungsvollen Umgang
mit Technik und Geräten lernen. Raum
für Experimente, Gestaltung und Selbst-
darstellung bieten die musisch-krea-
tiven Aktivitäten, Erweiterung und Ver-
tiefung in bildender Kunst, gestaltendes
Werken, Musik und Theater unterstüt-
zen Phantasie und Kreativität. Dies for-
dert stets persönliches Engagement und
Kooperationsbereitschaft. Dem Bewe-
gungsbedürfnis tragen zahlreiche unter-
schiedliche Angebote Rechnung, je
nach Alter und Geschlecht. Vom natür-
lichen Toben bis zum angeleiteten
Bewegungsangebot. Und nicht zuletzt
ein weiterer wesentlicher Aspekt:
Medienbildung und -erziehung. Worun-
ter wir nicht allein Techniktraining,
sondern den Erwerb von Wissen zum
kritischen Umgang mit Neuen Medien
verstehen.
Wie gestaltet sich der Tag?
Antwort:
Gute Qualität in der Ganz-
tagspädagogik erfordert sinnvolle
Zeitstrukturen und entsprechende
Räumlichkeiten. Für unsere Schüler sol-
len Schulen Orte sein, die Heimat wer-
den, abgestimmt auf ihre Bedürfnisse.
Es soll individuelles und kooperatives
Lernen möglich sein, aber auch Raum
für körperlich-sinnliche Angebote wie
Gebet und Meditation oder Gesellig-
keit und Expressivität, Ballsport, Tan-
zen oder Zirkuspädagogik.
Editorial
Lieber Leserinnen und Leser
der KatFreSch,
viele, die uns zu unserem
Dienstantritt begrüßt haben,
verbanden dies mit der von
Hermann Hesse in seinem Gedicht „Stufen“ ausgedrückten Hoffnung, dass auch
unserem Anfang ein Zauber innewohne, „der uns beschützt und der uns hilft,
zu leben“. Nach den ersten Wochen im Amt als neue Stiftungsdirektoren und
mit den vielfältigen ersten Eindrücken, die wir sammeln durften, ist dieser Zau-
ber nicht verflogen, sondern hat sich in vielerlei Hinsicht verstärkt.
Auch der Blick in die Neue KatFreSch zeigt die lebendige Vielfalt, der wir an den
verschiedenen Schulen und Einrichtungen unserer Stiftung begegnen. Neue
Aufbrüche werden unternommen, Blicke über Ländergrenzen hinweg gewagt,
persönliche und soziale Weiterentwicklungen mutig gefördert. All dies möchten
wir mit unserem persönlichen Einsatz unterstützen und gemeinsam mit Ihnen
weiter entwickeln.
In diesem Sinne freuen wir uns auf die Begegnung mit Ihnen, wünschen Ihnen
viel Freude bei der Lektüre und in der nahenden Weihnachtszeit die spürbare
Lebendigkeit des menschgewordenen Gottes!
Ihre neue Stiftungsdirektoren
Dr. Joachim Schmidt
Harald Häupler
Wechsel
Ganztagspädagogik
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Pädagoge mit Kreativität und
innovativem Geist wird verabschiedet
Dr. Berthold Saup verabschiedete sich von seinen Kolleginnen und Kollegen im Bischöflichen Stiftungsschulamt,
die ihn nur sehr ungern gehen ließen, in Tübingen: erst auf dem Neckar stochernd, dann in einer "Beiz" gut speisend.
Stabwechsel (v.l.n.r.): Harald Häupler, Elisabeth Jeggle, Bischof Dr. Gebhard Fürst, Dr. Berthold Saup, Dr. Joachim Schmidt, Walter Swacek
Das Mittagessen ist ein wichtiger sozi-
aler Schwerpunkt in der Ganztags-
schule. Daran schließt sich die Mit-
tagsfreizeit an mit Angeboten zu Sport,
Spiel, Handwerk, Musik, Kunst, The-
ater, sozialen Projekten, an denen sich
Schüler jahrgangsübergreifend beteili-
gen können. Darauf folgt die Lernzeit,
in der Hausaufgaben gemacht und The-
men eigenständig erarbeitet werden
können. Stets werden die Schüler durch
kompetente Erwachsene begleitet, an
die sie sich mit ihren Fragen wenden
können. Zusätzlich können sie inner-
halb der freien Bildungsarbeit Ange-
bote auswählen, die dann verpflich-
tend wahrgenommen werden. Auch
das wird von Experten mit Fachwissen
begleitet.
Wir setzen auf die „Verlässliche Grund-
schule“. Gruppen mit unterschiedlichen
Aktivitäten fungieren als Familien ergän-
zendes Angebot, mit pädagogisch erfah-
renem Personal als verlässliche Bezugs-
person. Wichtig ist uns die Kooperation
mit den Eltern, damit sich der gemein-
same Erziehungsauftrag von Eltern und
Schule auf Augenhöhe positiv entwi-
ckeln kann.
Gise Kayser-Gantner
Marchtaler Plan für
Tagesheim- und Ganz-
tagesbereiche
Erziehungs- und Bildungsplan für die
Tagesheim- und Ganztagesbereiche
an den allgemeinbildenden Katholi-
schen Freien Schulen in der Diözese
Rottenburg-Stuttgart.
Erhältlich bei der Süddeutschen Ver-
lagsgesellschaft in Ulm:
1 4-5,6-7,8-9,10-11,12-13,14-15,16-17,18-19,20-21,22-23,...28