KatFreSch
02/2011
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Theresa
Santiago del Estero
Wie jedem anderen stellte sich auch
mir die Frage, was mich nach meinem
Abitur
am
Studienkolleg
Ober-
marchtal erwartet. Nun befinde ich
mich in Santiago del Estero, Argen-
tinien, um das Leben auf der ande-
ren Erdhalbkugel kennen zu lernen,
einen lebendigen Austausch der Kul-
turen mitzugestalten und zu erleben.
Es ist 8 Uhr morgens, in einer Grund-
schule in „La Banda“, der Nachbarstadt
Santiago del Esteros. Mein erster Tag.
380 große Kinderaugen schauen mich
gespannt an und warten darauf bis
ich etwas sage. In mehr oder weniger
gutem Spanisch stelle ich mich kurz
vor: „Hallo. Ich heiße Hanna Pysik, bin
19 Jahre alt und komme aus Laupheim,
einer kleinen Stadt im Süden Deutsch-
lands“. Daraufhin Fragen über Fragen,
Küsschen hier, Küsschen dort. Berüh-
rungsängste gibt es hier nicht. Die
Herzlichkeit, Offenheit und Hilfsbe-
reitschaft der Menschen helfen über
die Sprachbarriere hinweg. Seit die-
sem Tag sind nun mehr als zwei Mona-
ten vergangen. In der Primaria „Cristo
Rey“ helfe ich seither als Praktikantin
mit. Zu meinen Aufgaben gehört vor
allem die Verwaltungsarbeit im Sekre-
tariat, ab und zu gebe ich Kunst- und
Deutschunterricht. Schüler und Leh-
rer haben gleichermaßen Spaß daran,
mehr über das kleine Land in Europa
zu erfahren.
Obwohl ich versuche überall mitzu-
helfen wo ich kann, ist es doch so, dass
nicht die Schüler von mir lernen, son-
dern ich vielmehr von den Schülern
lerne. Mit großer Geduld und Freude
erklären sie mir spanische Begriffe und
sehen großzügig über meine Fehler
hinweg, wenn ich versuche etwas auf
Spanisch zu erklären.
Neben unserer Tätigkeit in den Schu-
len, gehen Carmen, Theresa und ich
regelmäßig in den Chor unserer Kir-
chengemeinde „La Inmaculada“. Dort
singen wir mit circa 15 gleichaltrigen
Jugendlichen. Da es keine Liedblätter
oder Gesangbücher gibt, schreiben wir
die Texte jedes Mal davor von Hand ab.
Auch wenn uns die vielen spanischen
Wörter nicht immer ganz so leicht und
schnell über die Lippen kommen, wie
sie eigentlich sollten, singen wir regel-
mäßig in der samstäglichen Messe
mit, die einladend mit weit geöffneten
Türen gefeiert wird. Der Gottesdienst
ist jedes Mal sehr lebendig: Der Pfarrer
läuft den Gang auf und ab und sucht
den Kontakt zur Gemeinde, in dem er
sie mit Fragen in die Predigt mit einbe-
zieht oder die Fürbitten vortragen lässt.
Es wird viel gesungen und geklatscht,
das ein oder andere Handy klingelt,
Kinder springen hin und her oder wer-
den gestillt. Zum 15. Geburtstag der
Mädchen bzw. zum 18. der Jungs, zu
dem es hier ein riesen Fest gibt, wird
das Geburtstagskind gesegnet und
besungen.
Trotz dieser vielleicht unruhig wir-
kenden Atmosphäre gibt es genügend
ruhige Momente der Besinnung und
Meditation. Bis auf die tägliche Siesta
ist das aber wirklich einer der weni-
gen ruhigen Momente im Leben eines
Argentiniers. Sie feiern gerne und das
bis tief in die Nacht, das liegt aber
vor allem auch an den sommerlichen
Rekordtemperaturen bis zu 50° C, die
hier herrschen. Da ist es gar nicht mög-
lich, etwas während der Mittagszeit zu
unternehmen. Deshalb sind die Stra-
ßen während der Siesta wie leer gefegt
und nur die unzähligen Straßenhunde
sind unterwegs, auf der Suche nach
einem kühlen Fleckchen. Später trifft
man sich dann zum Essen oder zum
Mate trinken, das Nationalgetränk
Argentiniens. Die Zeit zum Essen und
Matetrinken wird aber hauptsächlich
dafür genutzt sich auszutauschen und
seine Freunde und Familie zu sehen.
Das Essen hier ist entweder süß oder
fettig, aber unglaublich lecker!! Trotz
der nicht immer leichten Lebensum-
stände sind die Menschen gastfreund-
lich, offenherzig und lebensfroh! Als
Fremder fühlt man sich deshalb gleich
wohl und aufgenommen.
Seit Januar 2011 hatten wir uns auf das
vorbereitet, was uns seit 6. August
erwartet hat. Viele verschiedene Men-
schen haben uns so gut es ging darauf
vorbereitet, aber am Ende war dann
doch alles irgendwie anders und wir
mussten und müssen uns selber mit
den Situationen auseinandersetzen.
Mein Name ist Theresa Schockenhoff,
ich bin 20 Jahre alt und habe im Juni
mein Abitur am Spohngymnasium in
Ravensburg gemacht. Seit ich mich
im Oktober letzten Jahres bei der Stif-
tung Katholische Freie Schule bewor-
ben hatte und kurz vor Weihnachten
die langersehnte Zusage für das Prak-
tikum in Santiago del Estero bekam,
war ich auf fünf verschiedenen Vorbe-
reitungsseminaren.
Dennoch war die Aufregung riesig, als
wir uns am Flughafen in Stuttgart von
unseren Familien und Freunden verab-
schiedeten und in den Flieger stiegen,
der uns ins knapp 12.000 km entfernte
Argentinien brachte. „Wir“, das sind
außer mir Hanna Pysik aus Laupheim,
Carmen Leimann aus Blaubeuren und
Julian Hamacher aus Rottenburg. Nach
15 Stunden Flug standen wir zum
ersten Mal auf argentinischem Boden
und wurden von der Unüberschaubar-
keit der Hauptstadt Buenos Aires über-
wältigt. Johannes Albrecht, ein ehe-
maliger Santiagopraktikant, empfing
uns am Flughafen und wir verbrachten
gemeinsam zwei Tage in Buenos Aires,
lernten die Stadt ein bisschen kennen
und bekamen einen ersten Einblick ins
argentinische Leben, in die andere Kul-
tur und vor allem die andere Sprache.
Nach 13 weiteren Stunden im Reisebus,
die uns schnurgeradeaus durchs Nichts
führten, waren wir in Santiago del
Estero angekommen. Am Busbahnhof
wurden wir sofort herzlich von einigen
Rektoren der Schulen vor Ort empfan-
gen und abgeholt. Da wir die deutsche
Begrüßung mit Handschlag gewöhnt
waren, verwirrten uns die vielen herz-
lichen Umarmungen und typischen
Begrüßungsküsschen auf die Wange ein
wenig. In unserem Haus angekommen
wurden wir überrascht, da dieses voller
Leute war, die uns ebenfalls begrüßen
wollten. Dort erwarteten uns weitere
Rektoren und Mitarbeiter der santiage-
nischen Schulstiftung und sofort wur-
den uns Fragen gestellt und wir aßen
süße Stückchen, wo wir doch eine
Dusche und ein wenig Zeit zum Aus-
ruhen vorgezogen hätten. Aber genau
das macht die Mentalität der Menschen
in Santiago aus, sie nehmen jeden mit
offenen Armen auf, sind unglaublich
herzlich und lebensfroh. Manchmal
kann das uns Deutschen aber zu viel
werden, da wir es nicht gewöhnt sind,
und mittlerweile haben wir gelernt,
dass die Menschen uns nicht böse sind,
wenn wir ihnen das sagen und uns ein
wenig zurückziehen.
Eine große Erleichterung für uns war,
dass Johannes die ersten paar Wochen
bei uns in Santiago gelebt hat und uns
ein bisschen helfen konnte. Außerdem
war auch Sarah Oppler, ebenfalls ehe-
malige Santiago-Praktikantin, hier, da
sie ein Semester in Buenos Aires stu-
diert und danach ein halbes Jahr in den
Schulen Santiagos arbeiten wird. Beide
konnten uns vieles zeigen und erklären,
wodurch uns der Einstieg in die argen-
tinische Kultur leichter gemacht wurde.
Nach den ersten paar Eingewöhnungs-
tagen besuchten wir einige Schulen, um
uns ein Bild von ihnen machen zu kön-
nen und um uns eine Schule auszusu-
chen, in der wir unser Praktikum begin-
nen wollten.
Meine Wahl fiel auf die Grundschule
essen für die Schüler zubereitet wird,
unterstütze die „Preceptores“, die für
die Anwesenheitskontrolle, Aufsicht
und den Vertretungsplan zuständig
sind, bei ihrer Arbeit und berichte über
die deutsche Kultur, gebe Deutsch- und
Englischunterricht, helfe bei der Pasto-
ralarbeit und versuche die Schüler fürs
Theaterspielen und „Jugend debattiert“
zu begeistern.
Neben der Arbeit in San Roque zählt
auch die Mitarbeit im „Centro de Pre-
vención de la Desnutrición Infan-
til y Promoción Humana“ (Zentrum
zur Prävention von Kinderunterernäh-
rung und humaner Förderung) der Kir-
chengemeinde „Santa Rosa de Lima“
zu meinem Programm. Angaben der
Stiftung „Cooperadora para la Nutri-
ción Infantil“ (CONIN) zu Folge lei-
den in der Provinz Santiago del Estero
mehr als 1750 Kinder an Unterernäh-
rung. Das sind etwa 49 Prozent der
0-5-Jährigen. Aus diesem Grund hat der
Gründer der Stiftung Dr. Abel Abino
in Zusammenarbeit mit der Diözese
Santiago del Estero, der Organisation
„Haciendo Camino“ und zahlreichen
Spendern am 28. Juli 2011 ein weiteres
Zentrum zum Kampf gegen die Armut
eröffnet. Hier werden Koch- und Näh-
kurse für die teilweise sehr jungen Müt-
ter der Viertel „8 de abril“ und „Católica“
angeboten sowie psychologische und
medizinische Betreuung, Schwanger-
schaftsberatung und -gymnastik und
Stimulation von Kindern. Ich engagiere
mich dabei bei der Kinderbetreuung
und in der Kochwerkstatt. Geholfen
werden kann hier auch durch das Spen-
den von Babyzubehör wie Schnullern,
Milchpulver, Windeln, Wiegen und Kin-
derspielen. Weitere Informationen gibt
es unter
und
Abgesehen davon bin ich aktiv bei der
Jugendgruppe der Kirchengemeinde
„la Inmaculada“ dabei und singe im
Jugendkirchenchor. Wie auch in
unserer Diözese gestalten die Jugend-
lichen hier den Gottesdienst mit, lei-
ten Firm- und Erstkommunionsgrup-
pen, organisieren Muttertagsfeste und
Krippenspiele und veranstalten Besin-
nungstage, so genannte „Retiros“. Die
Arbeit dort bereitet mir große Freude
und die Aufgeschlossenheit der Jugend-
lichen hat mir einen schnellen Einstieg
in die Gruppe ermöglicht. Wer gerne
neue Bekanntschaften schließt und
Freude am Kennenlernen von Kulturen
hat, dem kann ich das Santiago-Prakti-
kum nur empfehlen!
„Nuestra Señora del Rosario de Fátima“.
In den knapp zweieinhalb Monaten, die
ich dort arbeite, habe ich unglaublich
viel dazugelernt. Am meisten natürlich,
was die Sprache, aber auch, was das
Verstehen der anderen Kultur anbelangt
und die Arbeit mit den Kindern, die mir
unglaublich viel Spaß macht. Nachdem
ich in den ersten Wochen in den ver-
schiedenen Fächern, Klassen, im Rek-
torat und Sekretariat einen Überblick
über den Schulalltag bekommen habe,
helfe ich mittlerweile in den Fächern
Sport, Musik und Kunst und im Sekre-
tariat. Außerdem sitze ich ab und zu im
Unterricht einer ersten Klasse und helfe
einemMädchen mit Lernschwäche, das
im Tempo nicht mit ihren Klassenka-
meraden mithalten kann. Dadurch dass
ich durch meine verschiedenen Einsatz-
gebiete mit allen Klassenstufen zusam-
menarbeite, komme ich auch mit Schü-
lern von der ersten bis zur sechsten
Klasse ins Gespräch. So interessiert ich
an der argentinischen Kultur bin, so viel
möchten meine Schüler über Deutsch-
land erfahren. In den Pausen versam-
meln sich oft einige Schüler um mich,
die mich über die deutsche Sprache, die
Kultur, das Essen oder das Land ausfra-
gen.
Wenn Lehrer fehlen oder zu spät kom-
men, übernehme ich manchmal die
Schulstunde und mache ein wenig
Deutschunterricht mit den Schülern. Je
nach Klassenstufe handelt es sich dabei
nur um ein wenig Sprachunterricht
oder um die Geographie Deutschlands.
Aber nicht nur die Schüler interessieren
sich für „Alemania“. In den Freistun-
den sitze ich oft mit den Hausmeistern
zusammen und trinke Mate. Nicht sel-
ten setzen sich noch andere Lehrer
dazu und wir unterhalten uns über die
Unterschiede zwischen Argentinien
und Deutschland oder die Geschichte
der beiden Länder. Mittlerweile klap-
pen diese Unterhaltungen auch ohne
ständiges Wörtersuchen im Wörter-
buch ganz gut.
Da wir mitten im Schuljahr angefan-
gen haben, in den Schulen zu arbeiten,
endet bald das Schuljahr, und ich
freue mich darauf, im März die ersten
Schritte der neuen Erstklässler in ihrer
Schullaufbahn begleiten zu dürfen.
Neben der Arbeit in der Grundschule
„Fátima“ helfe ich am Wochenende in
der Kirchengemeinde „San José“. Dort
gibt es die „AcciónCátolica“, etwa ver-
gleichbar mit der deutschen „Katho-
lischen Jungen Gemeinde (KJG)“. Die
Leiter der Kinder- und Jugendgruppen
treffen sich immer samstags zu einer
„Réunion“, einem Treffen, bei dem sie
sich entweder über kommende Akti-
onen oder aktuelle Themen unterhal-
ten. In dieser Runde wurde ich sehr
freundlich und offen empfangen und
ich gehe sehr gerne zu den Treffen mit
den Jugendlichen.
Neue Ansprechpartnerin „Santiago“
Anja Dietel,
im Hauptberuf Projektsachbearbeiterin in der Hauptabteilung Weltkirche
des Bischöflichen Ordinariats, ist die neue Ansprechpartnerin der Stiftung Katholi-
sche Freie Schule für die Partnerschaft mit den katholischen Schulen in Santiago del
Estero.
Kontakt
Telefon: 07472 169 366
E-Mail:
Hanna
Von links nach rechts: Theresa, Carmen, Hanna, Julian, Johannes.