Kathfresch
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2014
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kolumnentitel
denwandel eigen-sinniggestal n
DenWandel
eigen-sinniggestalten
Auftrag Katholischer Schule in derWelt vonHeute
Für die Diözese Rottenburg-Stuttgart stellen die allgemeinbil-
dendenundberufsbildendenSchulen sowiedieSonderschulen
einen wesentlichen Bestandteil ihres gesellschaftlichen En-
gagements in der Welt von heute dar. Viele der Katholischen
Schulen in der Diözese blicken auf eine lange, teilweise sogar
mehr als hundertjährige Tradition zurück. Die Motive für ihre
Gründung waren sehr unterschiedlich. Häufig ging es darum,
jungenMenschen überhaupt einen Zugang zu Bildung zu ver-
schaffen. Mit der Gründung der Schulwerksschulen 1967 rück-
te das Anliegen eines katholisch geprägten Bildungs- und Er-
ziehungsangebots imUmfeldeines staatlichorganisiertenund
zu weltanschaulicher Neutralität verpflichteten Schulsystems
stärker indenVordergrund.
Heute bewegen sich die Katholischen Schulen in einem gänz-
lich anderen gesellschaftlichen und politischen Umfeld als in
den Zeiten, als diemeisten von ihnen gegründetwurden. Und
es gibt auch aktuell viele gesellschaftliche Entwicklungspro-
zesse, die für die Existenz und die Ausgestaltung Katholischer
Schulenvonerheblicher Bedeutung sind. Dazugehörenneben
dem demographischenWandel insbesondere auch die voran-
schreitende gesellschaftliche Säkularisierung beziehungswei-
se religiöse Pluralisierung sowie weitreichende Veränderun-
gen in Struktur und pädagogischer Gestalt des Schulsystems.
Nicht zuletzt befinden sichdie Lebenswirklichkeit jungerMen-
schen und die Aufgaben und Herausforderungen, die sich ih-
nen stellen, ineinem tiefgreifendenWandel.
All das gibt Anlass für eine Standortbestimmung:
WelcheBedeutungundAufgabehabenunserer Katholischen
Schulen im 21. Jahrhundert?Wofür stehen Katholische Schu-
len inunserer Zeit?WelchenAuftraghaben sieheuteund für
die Zukunft? Warum sind sie in unserer Gesellschaft unver-
zichtbar?
Auf diese und viele weitere Fragen soll ein Diskussions- und
Selbstvergewisserungsprozess Antworten geben, den die
Stiftung Katholische Freie Schule der Diözese Rottenburg-
Stuttgart im Jahr 2013 initiiert hat undder uns die kommenden
zwei bis drei Jahrebeschäftigen soll.
Als Grundlage der Diskussionwurden
zu sechsArbeitsfeldern
Thesen formuliert, die zumWeiterdenken,Weiterfragen und
zur Bildung einer Kriteriologie der eigenen Erziehungs- und
Bildungsarbeitdienensollen
. Diesewerdenderzeit imBereich
der Führungskräfte diskutiert und auf mögliche Konsequen-
zen für die Praxis hin befragt. Inweiteren Schritten sollen die
Kollegien und die anderen am Schulleben beteiligtenGruppen
(Eltern, Schüler) eingebundenwerden.
Arbeitsfeld 1
Ganzheitliches Bildungsverständnis
ChristlicheBildung imWiderstreitmit ökonomischen
Interessen
DasThemaBildunggiltals„die“sozialeFragedes21. Jahrhunderts.
Es verwundert daher nicht, dass Fragestellungen rund um dieses
Thema zuProfilierungsthemen für Politiker, aber auchÖkonomen
und einer ganzen Bildungsindustrie geworden sind. Bildungspo-
litikwird dann als „gelungen“ bewertet, wenn die einschlägigen
Interessensgruppen – vor allem aus Wirtschaft und Industrie –
befriedigt werden können. Die Fragen, was ein Kind braucht und
was seiner persönlichen Entwicklung dient, geraten dabei häufig
in den Hintergrund. Eine derartige Verengung des Bildungsbe-
griffs auf eineökonomisiertePerspektive kannunddarf nicht das
Leitbild eines christlich inspirierten Bildungsverständnisses und
einer am christlichenMenschenbildorientierten Schule sein.
Anlässlich der Feier seines 65. Geburtstages am 2. Dezem-
ber 2013 im Katholischen Freien Bildungszentrum St. Kilian
in Heilbronn sagte Bischof Dr. Gebhard Fürst:
„Insbesondere
an Katholischen Freien Schulen muss zunächst der Mensch
als Abbild und Geschöpf Gottes imMittelpunkt stehen, vor
aller Leistung! Erst in einer Atmosphäre des Sich-Angenom-
men-Wissens können sich Schüler in Freiheit entwickeln und
ihre Begabungen auf fachlicher und personaler Ebene voll
entfalten.“
Dies ist als klare Aufgabe für unsere Schulen zu
verstehen. AuchwennKatholische Freie Schulen staatliche Er-
satzschulen sind und sich damit den gesamtgesellschaftlichen
und ökonomischen Erwartungen nicht vollständig entziehen
können,müssen siedennocherfahrbare „Anders-Orte“bilden,
an denen junge Menschen in einem Klima von Freiheit und
Verantwortung zu selbstbewussten und einzigartigen Persön-
lichkeitenheranreifen können.
„Die Jugend ist das Fenster, durch das die Zukunft in dieWelt
eintritt. UnsereGenerationwird zeigen, dass sieder Hoffnung,
die in jedem jungenMenschen besteht, gewachsen ist, wenn
sie ihmRaum zu bieten versteht; wenn sie in der Lage ist, die
materiellenundgeistigenVoraussetzungen für seinevolleEnt-
faltung zu schützen; ihmeine sichereGrundlage zugeben, auf
der er sein Leben aufbauen kann; ihm die Sicherheit und die
Bildung zugewährleisten, damit erwird,waser seinkann; ihm
bleibendeWerte zu vermitteln, für die es sich zu leben lohnt;
ihmeinen transzendentenHorizont für seinenDurst nachwah-
rem Glück und für seine Schaffenskraft im Guten zu sichern;
ihm das Erbe einer Welt zu übergeben, die dem Maß des
menschlichen Lebensentspricht; in ihmdiebestenFähigkeiten
zuwecken, damit er selbst seineeigeneZukunft gestaltenund
mitverantwortlich für das Los aller sein kann.“ (Benedikt XVI)
Arbeitsfeld2
PädagogischeProfilierung
Veränderungen inder BildungspolitikunddieNotwendigkeit
der Profilbildung
Die bildungspolitischen Veränderungen im staatlichen Schul-
wesen scheinen die Katholischen Schulen oftmals dazu zu
zwingen, in einen stetigen Angebotswettbewerb zu treten
und somit nur zu reagierenanstatt aktivzuagieren. Ein solcher
Wettbewerb entspricht weder dem Selbstverständnis noch
den inhaltlichenZielenKatholischer Freier Schulen.
DerMarch-
taler Plan, als reformpädagogisches Konzept der Katholi-
schen Freien Schulen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart,
bietet einen sehr eigen-sinnigen und passenden Orientie-
rungsrahmen für pädagogischeWeiterentwicklungenauf der
Basiseines christlichenMenschen- undWeltverständnisses.
Im Kontext staatlicher Schul- und Qualitätsentwicklungspro-
gramme sowie den gesellschaftlichen und wirtschaftspoliti-
schen Forderungen nach unmittelbarer Verwertbarkeit von
Bildung steht derMarchtaler Plan für einBildungskonzept, das
nebender Vermittlung vonBildung undWissen undder sozia-
len Erziehung explizit auf eine persönlichkeits- und werteori-
entiertePädagogikvor demHorizont des christlichenGlaubens
zielt. Eswirddaher zunehmendwichtig sein, sichverstärkt auf
diesen „Schatz im Acker“ zu besinnen. Für die Schulen und
deren Schulleitungen bedeutet dies eine klare Schwerpunkt-
setzung auf die Fragenachdem „Warum“ unseres schulischen
Handelns in all seinenAusformungen. Diese Fragemuss inder
Schule und im Kollegiumwachgehaltenwerden und bildet die
Kriteriologie für alle Fragen von Schulorganisation, Schulent-
wicklungund Schulkultur. Bedeutsamwirddabei vor allemdie
eigene Überzeugung sein, dass den uns anvertrauten Kindern
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