kathfresch - Ausgabe 2014 - page 6-7

Kathfresch
|
2014
6 | 7
denwandel eigen-sinniggestalten
und Jugendlichen wirklich etwas vorenthalten wird, wenn sie
der Botschaft des Evangeliums nicht begegnen, wenn ihnen
die heilsame Kraft christlicher Symbole und Rituale verschlos-
sen bleibt und wenn sie nicht die provozierenden propheti-
schen Ansätze eines alternativen christlichen Lebens für sich
entdecken können. Sowerden sie befähigt, Verantwortung in
der Welt zu übernehmen und ihr Umfeld in einem wahrhaft
christlichen Sinn zugestalten.
Arbeitsfeld3
LebendigeGlaubenserfahrung
KatholischeSchulenalsdiakonisch-missionarischeOrte
Eine weitere wichtige Herausforderung erwächst den Katho-
lischen Schulen durch den gesellschaftlichenWandel und das
Abschmelzen klassischer katholischer Milieus. Hinzu kommt
die nachlassende Überzeugungs- und Bindungskraft der Ka-
tholischenKirche, derenGlaubwürdigkeit durchdiezahlreichen
Skandale der letzten Jahre in der öffentlichen Wahrnehmung
stark gelitten hat. All dies führt zu einemRückgang katholisch
sozialisierter Schüler an unseren Schulen. Gleichzeitig fragen
immermehrMenschen „gutenWillens“ nach Schulplätzen an,
die einer anderen Konfession, Religion oder gar keinem Be-
kenntnisangehörenundanunserenSchuleneinenPlatz für ihr
Kind suchen. Auch die Gewinnung von Lehrkräften, die einer-
seitseine fundiertewissenschaftlicheFachausbildungbesitzen
und sich andererseits aus einer bewussten Glaubensüberzeu-
gungheraus für eineKatholischeSchuleentscheiden, gestaltet
sich zunehmend schwierig.
In einer solchen Situation müssen sich unsere Katholischen
Freien Schulen, als besondere Form der Präsenz von Kirche
in der Gesellschaft, neu auf ihren ursprünglichen Auftrag be-
sinnen: Für Menschen unterstützend da zu sein, die auf der
SuchenacheinemSinnundnacheiner tragendenGestaltungs-
form für ihr Leben sind. Dies gilt gegenüber Lehrkräften und
Mitarbeitern ebensowie gegenüber Kindern und ihren Eltern.
Katholische Schulen werden so immer mehr zu „Orten der
(Erst-)Evangelisierung“ undmüssen, wenn sie diese Aufga-
be annehmen, immer mehr zu Orten lebendiger Glaubens-
erfahrungwerden, an denen alle am Schulleben beteiligten
GruppendenGlaubennicht alsverpflichtendeNorm, sondern
alssinnstiftendeund lebensförderndeGrößesichtbarerleben
undmitvollziehenkönnen.
Dazu gehört, dass in den „Alltagsvollzügen“ des Schullebens
deutlich erkennbar wird, dass Christinnen und Christen hier
verantwortlich Katholische Schule gestalten – im Umgangmit
dem Personal, in der Gestaltung der Leistungsbeurteilung bis
hin zur Frage des Umgangs mit Versagen, Fehlern oder Kon-
flikten. ImHinblick auf die religiöse Bildung und Beheimatung
von Schülerinnen und Schülern, von Eltern, aber auch von
Lehrkräften wird es zukünftig zum Selbstverständnis unserer
Katholischen Freien Schulengehörenmüssen, dass nebenden
ohnehin sichtbarenSymbolenundVollzügendesGlaubens un-
terstützend ein Schwerpunktangebot in Form von „Basiskur-
sen“ angebotenwird, das theologischeBildung vermittelt und
spirituelle Erfahrungsräumeeröffnet.
Arbeitsfeld4
InterreligiöserundökumenischerDialog
ReligiöseBildung inder SpannungvonBeheimatungund
Verständigung
In den letzten Jahrzehnten haben sich die ökumenische Ver-
ständigung und der interreligiöse Dialog als wichtige Heraus-
forderungen auch für Katholische Schulen herauskristallisiert.
Vor allem in der Auseinandersetzung mit dem Islam und mit
gläubigen Muslimen muss man aber ehrlicherweise feststel-
len, dass eineVielzahl unserer Lehrer undSchüler nicht selbst-
verständlich auf ein adäquates Glaubenswissen zurückgreifen
kannundesnicht gewohnt ist, über deneigenenGlaubenAus-
kunft zugeben. Daher solltengeradeKatholischeSchulenOrte
sein, an denen junge Menschen die Möglichkeit bekommen,
sich eine fundierte theologische Grundbildung zu erarbeiten
und eine positive Haltung zum christlichen Glauben zu entwi-
ckeln.Nurwennwiresschaffen, denunsanvertrautenKindern
und Jugendlichen (sowie Lehrerinnenund Lehrern)Wurzeln im
Glauben zugeben,werden sievorbereitet sein, dieser Heraus-
forderung zu begegnen und Perspektiven für einen fruchtba-
renDialog zuentwickeln.
Paradoxerweise sind Katholische Schulen häufig immer noch
die einzigen Bildungsinstitutionen, in denen Schüler nicht
lernen, einen direkten Dialog mit Jugendlichen anderer Kon-
fessionen und Religionen zu führen.
Mehr noch als im Reli-
gionsunterricht an staatlichen Schulen könnten gerade an
Katholischen Schulen Themen religiöser Verschiedenheit
aufgegriffen und thematisiert werden.
Dieser Auseinander-
setzungmit dem „Anderen“muss aber eine Beheimatung im
„Eigenen“ vorausgehen. Für die Schulleitungen Katholischer
Schulen könnte dies bedeuten, dass – nach einer Phase der
Selbstvergewisserung und Profilierung – in stärkerem Maße
als bisher bewusst auch Kinder anderer Konfessionen, Nicht-
Glaubende und Kinder aus anderen Religionen aufgenommen
werden.
VoraussetzungdafürwäredieBereitschaft aller, sich
auf einenernsthaftenDialogeinzulassen.
Dannmüssenaller-
dings auch Konzeptionen bereitgestellt werden, wo und wie
dieser Dialoggeschehenundwieer gestaltetwerden kann.
Anregungen dazu bietet beispielsweise das Akademie-
seminar „MeinGott – DeinGott – Unser Gott – Schulen vor der
interreligiösen Herausforderung“. Mehr Informationen zu die-
sem Seminar finden Sie auf Seite 20 in diesem Heft oder im
Jahresprogramm der Kirchlichen Akademie der Lehrerfortbil-
dung inObermarchtal.
Arbeitsfeld5
(Bildungs-)Gerechtigkeit
KatholischeSchulenunddiealtenundneuen Formen
vonArmut
Einweitererwichtiger Auftrag für Katholische Freie Schulen in
der Welt von heute zeigt sich hinsichtlich der alten und neu-
en Formen von Armut. Historisch gesehenwaren Katholische
Schulen – besonders als Schulen in Ordenstradition – immer
in besonderer Weise Bildungsorte für benachteiligte und am
Rand der Gesellschaft stehende Kinder und Jugendliche. Ar-
mut undMangel an Bildungschancen sind Themen, die leider
immer noch nicht der Vergangenheit angehören. Vielmehr
thematisierenArmuts-undReichtumsberichte fürDeutschland
inbesondererDramatikdieFormen „versteckter“Armut inun-
serer modernen Gesellschaft. Allerorts thematisierte Fragen
der Chancen-undBildungsgerechtigkeit stellen fürKatholische
Schulen eine besonders zentrale Herausforderung dar. Unter
anderem an diesen Fragen entscheidet sich die Glaubwürdig-
keit eines christlichen Bildungsangebotes für dieGesellschaft.
Katholische Schule
„muss in diesem Sinne im Kontext der
alten und neuen Formen der Armut jene ursprüngliche Syn-
these der Leidenschaft und der Liebe zur Erziehung finden,
welcheAusdruckder LiebeChristi zudenArmen, Kleinenund
zu den vielen ist, die auf der Suche nach derWahrheit sind“
(Kongregation für dasKatholischeBildungswesen).
Dieses Erbe ist für Träger Katholischer Schulen auch heute
noch Verpflichtung und fordert zu der Frage heraus, für wen
KatholischeSchulenheute inbesondererWeiseda seinwollen
und müssen. Sie wollen und müssen Vorreiter sein, wenn es
beispielsweisedarumgeht,
adäquateschulischeAngebote für
Schülermit unterschiedlichstenBeeinträchtigungenanzubie-
ten oder Kinder aus von Armut, Flucht und Vertreibung be-
troffenen Familien aufzunehmen.
Die Suche nach den „alten
und neuen Formen von Armut“ und die Frage, wiewir diesen
mit unserem Bildungsangebot begegnen, muss ein Leitmotiv
für dieArbeit Katholischer Schulenwerden.
Arbeitsfeld6
Vorsprungdurch Synergien
Vielfalt undSolidarität der Schulenunter demDach
der Stiftung
Mit den mehr als 90 Schulen aus allen Schularten und -for-
men bietet sich der Schulstiftung eine in Deutschland
einzig-
artige Chance der wechselseitigen Kenntnisnahme und des
Voneinander-Lernens.
In jeder Schule finden sich zahlreiche
pädagogische, organisatorische, systemische und finanzielle
Problemlösungen, Ressourcen und Ideen für Fragen, die auch
ananderenSchulenvirulent sind. DasPotenzial diesesVerbun-
des scheint derzeit nochweitgehendungenutzt.
Die aktuellen bildungspolitischen Herausforderungen und die
skizziertenAufgabender Profilierungunserer Schulenmachen
verstärkt die Notwendigkeit deutlich, die Ressourcen und die
Professionalität immer stärker zu nutzen, die in den ganz ver-
schiedenenEinrichtungenunsererStiftungvorhandensind.
Die
Leitungsaufgabe an Katholischen Schulen wird immer mehr
auch zu einer Vernetzungsaufgabe werden.
Die Hospitation
von Schulleitungen und Lehrkräften an anderen Katholischen
Schulen kann zu einer echtenHorizonterweiterung führen, die
konsequent angebahnt werdenmuss. Gleichzeitigwerden die
Schulen innerhalbder Stiftungauch lernenmüssen, alsSolidar-
verbund zusammenzuhalten, wenn einzelne Schularten oder
SchulformendurchDruckvonaußengefährdetwerden, die für
das Gesamtprofil des Katholischen Schulwesens bedeutsam
sind. Solidarische Gemeinschaft kann auf der anderen Seite
aber auch Spielräume eröffnen, die in Zeiten immer knapper
werdender Ressourcenvonentscheidender Bedeutung sind.
Interessiertekönnen sichauf der SeitedesStiftungsschulam-
tes
) über aktuelle Entwicklungen des
Prozesses informieren und relevante Texte, Präsentationen
usw. herunterladen.
FAZIT
Ein Profilbildungs- und Selbstvergewisse-
rungsprozess, wie er hier skizziert wurde,
kannnicht „vonoben“verordnetwerden. Er
braucht das lebendigeMitdenken, Mitreden
undvor allemauchMittunanallenOrten. Es
braucht an vielen Schulen mutige Schritte,
Projekte und Schulversuche, um an kleinen
oder großen Themenfeldern Erfahrungen
zu machen, wie sich unsere Katholischen
Schulenweiterentwickeln können, um ihren
Aufgaben inderWeltvonheute immermehr
gerecht zu werden. In diesem Sinne freuen
wir uns auf viele Rückmeldungen, Nachfra-
genundDiskussionsbeiträge.
1,2-3,4-5 8-9,10-11,12-13,14-15,16-17,18-19,20-21,22-23,24-25,26-27,...32
Powered by FlippingBook