kathfresch - Ausgabe 2014 - page 18-19

Kathfresch
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2014
Wiebegegnet dasKollegiumdemThema Inklusion?
Gibt esVorbehalte?
Das Thema Inklusionbeschäftigt alle. Das ist klar. Aber auch in
den Köpfen der Lehrkräfte hat sich in den letzten Jahren viel
getan, dieHaltung zur Inklusion ist einebekennende. Dazuha-
ben sicherlich auchdiepositiven Erfahrungenbeigetragen, die
wir hier an der Carl-Joseph-Leiprecht-Schule gemacht haben.
Schwierigkeiten gab es aber auch schon, z.B. gab es Diskussi-
onenmit Schülern inderHauptschulabschlussprüfung. Jugend-
liche mit bescheinigtem Förderbedarf erhalten einen Nach-
teilsausgleich, haben also mehr Zeit für ihre Klausuren. Das
fanden einige der anderen Schüler ungerecht. Vergleichs- und
Prüfungssituationenbietennocheinmal besondereHerausfor-
derungen für jeden Einzelnen.
WelcheUnterstützungsmaßnahmengibt esvon
staatlicher Seite?
Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen kommen stun-
denweiseandieSchule, umuns imUnterricht zuunterstützen.
Das ist prinzipiell sehr hilfreich, aber dieses Abordnungssys-
tem verändert das Berufsbild der Sonderpädagoginnen und
Sonderpädagogen erheblich. Sie sind viel stärker als Berater
gefragt, sie sind an vielen Schulen im Einsatz, sind deshalb
nicht an die Kollegien angebunden, sondern nur auf einzelne
Ansprechpartner fokussiert. Ihre stundenweiseAbordnungbe-
rücksichtigt z.B. keine Fahrtzeiten zwischen den Schulen und
keine Besprechungs- und Vorbereitungszeiten mit den Kol-
leginnen und Kollegen hier vor Ort. Da fehlen die Strukturen
und es gibt noch eineMenge Unklarheiten. Der Erfolg der Zu-
sammenarbeit hängt starkvonder persönlichenEinsatzbereit-
schaft und dem Engagement der jeweiligen Kolleginnen und
Kollegen ab.
Warumnimmt IhreSchuleamModellprojekt teil?
Welche FragestellungenwollenSie imRahmendes
Modellprojekts für IhreSchulebearbeiten?
Wir sind seit diesem Schuljahr Gemeinschaftsschule und sind
so automatisch eine inklusive Schulform.
Im Modellprojekt
gehtes fürunsdarum, hiervorOrtbessereundklarereStruk-
turen für die Zusammenarbeit mit den Sonderpädagoginnen
undSonderpädagogenzuschaffen.
Außerdemwollenwir uns
selbst befragen, nach welchen Kriterien wir Kinder mit son-
derpädagogischemFörderbedarfanderCarl-Joseph-Leiprecht-
Schule fördern können und wo uns vielleicht auch Grenzen
gesetzt sind. Welche Strukturen für die Förderung sind um-
setzbar? Können oder wollen wir uns auf bestimmte Förder-
schwerpunkte spezialisieren?
Wir möchten die Inklusion an
unserer Schulemit einemvernünftigen Idealismusvorantrei-
ben. Dazubietet derMarchtaler PlanoptimaleVoraussetzun-
gen. Er stellt dasKind indieMitte.
Vinzenz-von-Paul-Schule
Warumnimmt IhreSchuleamModellprojekt teil?
Wir wollen uns mit dem Thema Inklusion offensiv auseinan-
dersetzen. Es gibt viele Fragen, die in diesem Zusammenhang
noch nicht geklärt sind. Beispielsweise sehen sich die Leh-
rer in ihrer Arbeitssituation und der Organisation ihrer Arbeit
ganz neuenHerausforderungen gegenüber. Sie sind einerseits
in beratender Funktion an Regelschulen und andererseits als
Klassenlehrer ander Sonderschule tätig. Dieser Spagat istnicht
immer einfach.
Mit der Teilnahme amModellprojekt wollen
wir dieChancenutzen, unsereArbeit bewusst zu reflektieren
undgemeinsammit anderen Fachleuten zukunftsfähigeKon-
zepte zuentwickeln.
Hat sichdasBerufsbilddes Sonderschullehrersdurchdas
Thema Inklusionalsoverändert?
Aber ja! Diewenigsten haben sich vor ihrer Studienwahl ver-
mutlich in der Funktion eines Beraters gesehen. Wer Lehramt
studiert, will – unterstelle ich – eine Klasse unterrichten. Hier
erlebenwir imMoment einen Paradigmenwechsel. Zeitgleich
wird man aber auch zukünftig hochspezialisierte Fachleute
brauchen, die den Unterricht, die Bildungsaufgaben, an den
Sonderschulen erteilen. Denn die Anforderungen werden si-
cherlich steigen!
WiemeinenSiedas?
Trotz aller Inklusionsbemühungenwirdes immer Schüler ge-
ben, die nicht inklusiv beschulbar sind oder die zumindest
temporär ein besonderes Angebot und einen geschützten
Raumbrauchen, umwieder Bodenunter die Füße zubekom-
men.
Hinzu kommt die steigende Anzahl von Schülern mit
psychischen Erkrankungen. Nicht jeder Lehrer traut sich diese
Aufgabe zu.
WievieleSchülerwerden zur Zeit vonden Lehrernder
Vinzenz-von-Paul-Schulebetreut?
Zuunserer Schulegehören aktuell 110 Schüler. Etwa einDrittel
von ihnen wird in Gruppen- und Einzelinklusionsmaßnahmen
an Regelschulen unterrichtet, die anderen zwei Drittel direkt
hier am Standort.
Dasbedeutet, Siehabenbereits Erfahrungenmit dem
inklusivenUnterricht anRegelschulen?
Ja, das stimmt! Inklusionwar für uns als Schule für Erziehungs-
hilfe immer schonein Thema. Bereits seit 1999bietenwir den
sonderpädagogischenDienst an, dessen Ziel es ist, die Schüler
anRegelschulendurchBeratungder Lehrer, ElternundErzieher
entsprechend ihrer individuellen Bedürfnisse zu fördern. Au-
ßerdem arbeiten wir seit Jahren engmit der hiesigen Grund-
schule, der Grundschule in Tannheim sowiederMühlbach-Ge-
meinschaftsschule in Schemmerhofen zusammen.
UndwelchenPartner habenSie sich für dasModellprojekt
ausgewählt?
Wir arbeiten im Projekt mit der Mühlbachschule zusammen.
Sie verfolgt als Gemeinschaftsschule Inklusion als einen
Schwerpunkt ihrer Arbeit und hat diesen im Schulprofil ver-
ankert. Hinzu kommt, dass dort ein Team von Lehrern unserer
Schule arbeitet und Kinder vor Ort fördert und betreut. Diese
bereits bestehende Zusammenarbeit wollen wir bewusst re-
flektierenundoptimieren.
WelcheErwartungenhabenSiekonkret?
Zum einenmüssenwir die Schüler im Blick haben und schau-
en, wiewir deren Situation kontinuierlich verbessern können.
Dazu ist die Beziehungsarbeit ganz allgemein von großer Be-
deutung. Zum anderenmöchtenwir die Themen Arbeitsorga-
nisation und Kooperation in den Fokus nehmen. Zwei Schulen
treffen aufeinander: Wie gelingt die Eingliederung der Son-
derschulpädagogen in den Regelschulbetrieb? Wie können
wir ihre Arbeit gut organisieren? Das betrifft z.B. das Pendeln
zwischen den Standorten, Zeitmanagement für Teamgesprä-
chemit denKollegender unterschiedlichenSchulenundvieles
mehr.
Wäreesdanicht einfacher, Sonderpädagogendirekt ander
Regelschuleanzustellen?
Aus organisatorischen Gesichtspunkten sicherlich, allerdings
halte ichdiesenWegauspädagogischer Sicht nicht für die Ide-
allösung. Die Lehrer brauchen schon allein aus fachlicher Sicht
dieRückbindunganein sonderpädagogisches Fachsystem.Wir
wollen deshalb unsere sonderpädagogischen Fachkräfte nicht
mitmehr als 50% andie jeweiligeRegelschule abordnen.
Wie sehenSiedieZukunft Ihrer Schule?
Mit unserem sonderpädagogischenAngebot werdenwir auch
zukünftig ein wichtiger Baustein im Schulsystem bleiben.
Daher hat sich der Landkreis Biberach auch klar zu unserer
Schule bekannt! Hier am Standort Schönebürgwird ein neues
modernes Schulgebäude entstehen. Die Schule wird Platz für
65 Schüler haben, die aus unterschiedlichen Schularten zu uns
kommen. Derzeit unterrichtenwir auf Werkrealschul-, Grund-
schul- und Förderschulniveau, es gibt aber auch zunehmend
Schüler aus Realschulen und Gymnasienmit sonderpädagogi-
schemFörderbedarf. DaherwirdeseineHerausforderung sein,
wiewir dieseunterschiedlichen Leistungsniveaus zukünftig im
Unterricht unserer Schule abbildenwerden.
modellprojekt „inklusionsorientierte schul- undunterrichtsentwicklung“
Artur Hegenauer
Schulleiter
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