kathfresch - Ausgabe 2014 - page 8-9

Kathfresch
|
2014
8 | 9
denwandel eigen-sinniggestalten
Schulen sind ständig in Bewegung. Sie
bewegen sich selbst, entwickeln neue
Ideen und Konzepte für Unterricht und
Schulorganisation und sie werden in
Bewegung gebracht durch globale Ent-
wicklungen hin zur Informations- und
Wissensgesellschaft, durch die Tech-
nisierung des Alltags, den Wandel der
Wertevorstellungen, Tendenzen zur
Individualisierung und Differenzierung.
All diese großen gesellschaftlichen
Entwicklungsprozesse spiegeln sich
in unterschiedlicher Ausprägung im
Schulalltag, inder Schüler-, Lehrer- und
Elternschaft, ihren Ideen, ihrem Um-
gang miteinander und ihren Lern- und
Arbeitsweisen wider. Das fordert die
Schule als Institution und das beruf-
liche Selbstverständnis der Lehrerin-
nen und Lehrer heraus. Immer wieder
müssen sie sich neu verständigen und
befragen: Wie wollen und können wir
miteinander, mit Kindern, Jugendlichen
und Eltern umgehen, kommunizieren
undarbeiten?AlsOrtedesLernenssind
Schulen substanziell auf gemeinsames
Interagieren und Kommunizieren an-
gewiesen. Lehrerinnen und Lehrer sind
wichtige Vorbilder, die Werte, Wissen,
Freude am Lernen vermitteln und jun-
geMenschenauf demWegzur eigenen
Identität prägen. Schulen müssen ei-
nerseits flexibel sein, um auf Verschie-
denheitenundWandlungsprozesseein-
gehen zukönnen, andererseitsmüssen
sie verlässlich sein, einen Standpunkt
anbieten, Kindern und Jugendlichen
Halt und Orientierung geben. Ein Spa-
gat, der nicht immer einfach ist und
nach eigen-sinnigen Lösungen ver-
langt.
Wie kann eine Schule Entwicklungspro-
zesse, gestalten?Wiekann sieVerände-
rungen begegnen, ohne sich von ihnen
überrollen zu lassen? Sicherlich ist es
hilfreich, einwenigAbstand zunehmen,
umausderDistanzeinenBlickaufdieei-
gene Schule zuwerfen, sich dabei auch
die Sichtweisen von Schülerinnen und
Schülern, Elternoder sonstigenPartnern
vor Augen zu führen, um Perspektiven
für künftigeEntwicklungenzuerkennen,
Ziele zu finden oder zu verwerfen und
sichKlarheit über dieeigeneSituationzu
verschaffen.MarketingalseinedemBil-
dungswesen eher fremdeDisziplin kann
den Entwicklungsprozess unterstützen,
Wege und Werkzeuge aufzeigen, die
denWandel gestaltbarmachen.
Beziehungengestalten
Marketing wird häufig noch mit Wer-
bung assoziiert, doch auch im Bereich
der Wirtschaft hat der Marketingbegriff
schon längst einen Wandel erfahren
und gilt mittlerweile als integraler Be-
standteil von Organisationsprozessen.
Im Wirtschaftsunternehmen ebenso
wie in der Schule, dient Marketing der
Entwicklung, Planung, Umsetzung und
Steuerung sämtlicher Aktivitäten der
Organisation, insbesondere ihrer Ko-
operationsbeziehungen. Im Bildungsbe-
reich stehen Kooperationsbeziehungen
im Zentrum der Arbeit. Das Lehren und
Lernen, d.h. die Kooperationsbeziehung
der Lehrenden zu den Schülerinnen und
Schülern, wirdflankiert durch zahlreiche
andere Beziehungen z.B. zur Schulver-
waltung, zwischen den Lehrerinnen
und Lehrern und dem gesamten Perso-
nal der Schule, zu Eltern, Vereinen, der
kommunalen Verwaltung, der lokalen
Öffentlichkeit etc. All diese Beziehun-
genwirkenauf eineSchuleundnehmen
Einfluss auf die Bedingungen des Leh-
rens und Lernens. Angesichts der oben
beschriebenen Veränderungen und der
zunehmenden Dynamik dieser Verän-
derungen ist es nicht immer einfach,
EinvernehmenundVerlässlichkeit inner-
halb dieses Beziehungsgeflechts herzu-
stellen.
Um die Übersicht zu behalten
und Entscheidungen nicht einsam oder
aus dem Bauch heraus zu treffen, um
nicht nur zu reagieren, sondern eige-
ne Entwicklungen anzustoßen, sind
funktionierende Organisations- und
Kommunikationsstrukturen innerhalb
der Schule von großer Bedeutung.
Sie
bieten Orientierung und Sicherheit, sind
Ausgangspunkt für ein gemeinsames
Nachdenken über neue Ideen und Zie-
le. Die Methoden und Instrumente des
Marketings helfen dabei, diese Struktu-
ren zu unterstützen, Entwicklungs- und
Entscheidungsprozesse transparent und
gestaltbar zu machen, selbst gesteckte
und vorgegebene Ziele mit ihren Vor-
teilen und Nachteilen zu analysieren,
zu definieren und ihreUmsetzung in die
Praxis genau zu planen und zu steuern
Bildungsmarketing
als Schulentwicklungsprozess
verstehen
IrisGeigle
Referentin für
Marketingund
Kommunikation
und dabei die gesamte Schulgemein-
schaft und ihr Umfeld imBlick zu behal-
ten.
Identität stiftenund
identifizierbar sein
Ebenso wie ein pädagogisches Konzept
ohne eine gute Umsetzung noch keinen
gutenUnterrichtmacht,machterfolgrei-
ches Bildungsmarketing ohne gute päd-
agogische Konzepte keine gute Schule
aus. Mangelt es grundsätzlich an Qua-
lität und Klarheit in Bezug auf das pä-
dagogische Konzept einer Schule, wird
es kaummöglich sein, die Identität der
Schule positiv zu gestalten und zu eta-
blieren. Eine animierteWebsite oder ein
Hochglanzflyer können allenfalls kurz-
fristigüber eine substanziellepädagogi-
sche Schwäche hinwegtäuschen. Denn
Marketing liefert keine pädagogischen
Inhalte oder Konzepte, sondernMetho-
denund Instrumente,mitderenHilfeder
inhaltliche Kern der Schulen, der gute
Unterricht, optimal ausgestaltet und
kommuniziertwerden kann.
Bei der Gestaltung der Beziehungen
spielt die Kommunikation eine be-
sonders wichtige Rolle:
Wie sehen El-
ternbriefe aus, welcher Struktur folgen
Teamsitzungen und Konferenzen, ist in
der Schüler- und Elternschaft bekannt,
welche Beratungsangebote es an der
Schule gibt, und wird davon Gebrauch
gemacht, gibt es Besprechungsräume
für Kollegen oder wird alles Wichtige
zwischen Tür und Angel besprochen?
Eine jeweilige Überprüfung dieser Fra-
gen und ihres Kontextes macht die
Schnittstellen zwischen Schulentwick-
lung und Bildungsmarketing deutlich.
Sie zeigt, wie alltäglich Abläufe eine
Wirkung nach innen und nach außen
entfalten, unddass es notwendig ist, sie
gezieltauszugestalten. Eszeigt sichaber
auch, dass Bildungsmarketing nicht ne-
benbei gemacht werden kann, sondern
bewusst angegangen werden muss.
Erfolgreiche Konzepte lassen sich nicht
eins zu eins übernehmen, sondern
jede
Schulemuss ausgehendvon ihren Stär-
ken und Potentialen, ihrem Standort,
ihrer Schülerschaft und ihren Partnern
eineigenesschlüssigesKonzeptfinden.
Das macht zunächst viel Arbeit, fordert
Motivation und Verantwortung, schafft
aber langfristig Klarheit über Strukturen
und Arbeitsprozesse, stiftet Identität
und transportiert ein positives Image –
nach innenundnach außen. Effektedes
Marketings sollten deshalb nicht vor-
schnell an Anmeldezahlen oder Spen-
dengeldern gemessen werden, denn
sie schlagen sich ebenso im Schulklima
oder in der Arbeitszufriedenheit des
Kollegiums nieder. Erfolgreiches Mar-
ketingmacht eine Schule identifizierbar
und ermöglicht Menschen, sich mit ihr
zu identifizieren. Für die Schulgemein-
schaft bildet die Identität ihrer Schule
ein wichtiges Orientierungssystem, das
nicht nur im Alltag als Kompass für das
Arbeiten und Lernen dienen kann, son-
dernauchangesichts von tiefgreifenden
äußeren Veränderungen hilft, Standort
und Richtung zu klären und zu kommu-
nizieren.
Marketing ist Dialog
Marketing ist Dialog und Schulen befin-
den sichpermanent imDialog. Lehrerin-
nen, Lehrer, Schulleiterinnen, Sekretä-
rinnen und Elternvertreter machen per
se Marketing für ihre Schule, denn sie
bewegen sich in ihrem Alltag ständig
in Kommunikationssituationen, gestal-
ten Beziehungen im Innern und nach
außen und prägen durch ihr Auftreten
und ihre Haltung das Image der Schule.
Kommunikationsstruktur und Kommuni-
kationskultur innerhalb des Kollegiums
trägt wesentlich zum erfolgreichen Bil-
dungsmarketing bei. Wer sich und seine
Standpunkte in der Schulgemeinschaft
vertreten sieht, wer durch Kolleginnen
und Kollegen Feedback und Unterstüt-
zung erhält, strahlt Sicherheit und Zu-
friedenheit aus, kann Beziehungen und
Kommunikationssituationen professio-
nell gestalten, macht erfolgreichesMar-
keting für seine Schule – und bereichert
den Schulentwicklungsprozess.
Schulentwicklung sei eine Reise, meint
der kanadische Bildungswissenschaft-
ler Michael Fullan. Auf dieser Reise
liefert das Bildungsmarketing wie ein
Bordcomputer wichtige Informationen
zur Orientierung, misst die Entfernung
zum Ziel, berechnet alternative Rou-
ten, weist auf Hindernisse hin und hält
die Ressourcen im Blick.
Den Mut, sich
auf denWeg zumachen, und die Lust,
Neues zu entdecken, ersetzen auchdie
Methoden des Marketings nicht, aber
sie bietenKomfort, machen das Reisen
angenehmundplanbar.
Fortbildungen zum Thema
Marketingals Instrument der
Schulentwicklung
17.-18. April 2014 –Grundkurs
07.-08.Mai 2014 – Presseund
Öffentlichkeitsarbeit
Marketing zeigtWege
undWerkzeuge auf,
aktiv über Schule und
ihre Entwicklung nach-
zudenken
Steckbrief
Iris Geigle
Seit August ist Iris Geigle als Refe-
rentin für Marketing und Kommuni-
kation der StiftungKatholische Freie
Schule tätig. Nach ihrem geistes-
wissenschaftlichen Studium an der
Ruhr-Universität Bochum arbeitete
sie acht Jahre im Kulturbereich, zu-
letzt am Jungen Ensemble Stuttgart,
dem renommierten Kinder- und
Jugendtheater der Stadt Stuttgart,
wo sie fürMarketingundÖffentlich-
keitsarbeit sowie die Organisation
des künstlerischen Betriebs zustän-
dig war. Berufsbegleitend absol-
vierte sie den Masterstudiengang
Bildungsmanagement an der Päda-
gogischen Hochschule Ludwigsburg
sowie Praktika an einer Katholi-
schen Schule im Erzbistum Köln und
am Ulmer Transferzentrum für Neu-
rowissenschaftenund Lernen.
1,2-3,4-5,6-7 10-11,12-13,14-15,16-17,18-19,20-21,22-23,24-25,26-27,28-29,...32
Powered by FlippingBook